Schopenhauer über gaukelnde Gestalten Freigegeben 2003-06-26 21:01:23 von Baldrkibo. Nach einem Beitrag von Baldrkibo.
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"Ein Mensch, der nach vielen bitteren Kämpfen gegen seine eigene Natur diese endlich ganz überwunden hat, ist nur noch als rein erkennendes Wesen, als ungetrübter Spiegel der Welt übrig.
Ihn kann nichts mehr bewegen; denn alle die tausend Fäden des Wollens, welche uns an die Welt gebunden halten und als Begierde, Furcht, Neid, Zorn uns hin- und herreißen unter beständigem Schmerz, hat er abgeschnitten.
Er blickt nun ruhig und lächelnd zurück auf die Gaukelbilder dieser Welt, die einst auch sein Gemüt zu bewegen und zu peinigen vermochten, die aber jetzt so gleichgültig vor ihm stehn wie die Schachfiguren nach geendigtem Spiel oder wie am Morgen die abgeworfenen Maskenkleider, deren Gestalten uns in der Faschingsnacht neckten und beunruhigten.
Das Leben und seine Gestalten schweben nur noch vor ihm, wie eine flüchtige Erscheinung, wie dem Halberwachten ein leichter Morgentraum, durch den schon die Wirklichkeit durchschimmert und der nicht mehr täuschen kann; und eben auch wie dieser verschwinden sie zuletzt ohne gewaltsamen Übergang."
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